Dienstag, 17. Januar 2012

Wie Mamallapuram das indische Erntedankfest feiert

In Mamallapuram - früher Mahablipuram gennannt - gibt es Jahrtausende alte Tempel und Steinformationen zu besichtigen, Teile des Weltkulturerbes.

Bei "kalten" 23 Grad sitzen die Zuschauer in Jacken und Schals beim Open-Air-Musikfestival in Mamallapuram. Mahabs wie es auch genannt wird, feiert Pongal, das indische Erntedankfest mit Tanz und Puppenspiel. Es ist südindischer Winter und Temperaturen von 30 bis 40 Grad gewöhnt frieren wir in der windigen Meerluft. Die Bühne zeigt einen riesengroßen Kopf von Jayalalitha, der Premierministerin des Staates Tamil Nadu und Sponsorin des Festivals. Ihr zu Ehren - so scheint es - tanzen die kleinen Tänzerinnen, biegen sie sich immer wieder in neue Figuren und Stellungen.
Auch Divya ist mit ihrem äteren Bruder Subash sind hier. Die Vierzehnjährige geht in Chennai zur Schule und besucht über Pongal ihre Tante Amita in Mahabalipuram. Die  jungen Leute samt Verwandschaft und Familie sind nicht zum ersten Mal beim Tanzfestival. "Das wichtigste ist, dass wir alle wieder mal zusammen sind", meint Divya. Allerdings liebt sie auch die Tanzaufführungen. Anschließend gibt es ein Puppenspiel auf Tamilisch. Die Ausländer verlassen die Veranstaltung weil der Redefluss der Puppen kein Ende findet und von Handlung wenig zu sehen ist. Auch Divya und ihre Familie brechen auf. Sie haben für heute Nacht ein Zimmer im Indeco Hotel gebucht, weil die Wohnung von Tante und Onkel eher klein ist.

Das Hotel ist etwas ganz besonders findet Divya. Es gibt ein kleines Museum mit allerlei Antiquitäten unter anderem ist das Tor des alten Gefängnisses ausgestellt. Eine Sammlung von Stühlen - ein alter Zahnarztstul ist dabei und allerlei Möbel, die an Jugenstil erinnern finden sich unter den Ausstellungsstücken.

Am nächsten Morgen tummeln sich bereits die Kinder im Swimmingpool. Die Mädchen in Leggings und T-Shirt, während die Jungs in Badehosen schwimmen gehen. Die erwachsenen Damen sitzen derweil im Sari auf den Stühlen des Terassenrestaurants und sind bereits - ebenso wie ihre männlichen Begleiter - kräftig am zulangen. Idli, kleine Reismehlkuchen, sowie Dosas, eine Art Pfannkuchen werden mit dicken Soßen zum Frühstück gegessen. Zu trinken gibt es süßen Tee mit Milch oder Lassi, eine Art flüssiger Joghurt.

Vor dem Hotel gibt es anschließend eine kleine Pongal-Zeremonie, bei der in großen Töpfen Reis gekocht wird. Der Reis muss überkochen. Das symbolisiert den Überfluss an Erntedank. Jeder bekommt dann eine Schale mit der süßen Masse kredenzt. Dieses ist nur ein kleines Überbleibsel der eigentlichen Pongal-Feierlichkeiten. Eigentlich ist es ein Fest, das auf dem Land gefeiert wird. An einem der vier Tage gibt es zum Beispiel einen Umszug mit Ochsen-Wagen, an denen die Tiere buntgeschmückt vor die Fuhrwerke gespannt werden.


Nach dem - ebenfalls reichlichen - Mittagessen hat Divya noch reichlich Zeit, um mit ihrem Bruder zum Strand zu gehen. Nicht um zu schwimmen, denn das ist in Tamil Nadu eher unüblich, es sei denn auf einem Resort eigenen Strand und das meist nur für Touristen. Sie möchte Karussell fahren. 10 Rupien die Fahrt auf einem der motorgetriebenen Gefährte. Für die kleineren Kinder werden die Karussells noch per Hand angetrieben. In der untergehenden Sonne führen junge Männer Pferde an der Longe, auf denen unerfahrene Reiter sitzen. Subash möchte sich unbedingt noch mit einigen Filmstars und Politikern ablichten lassen. Diese stehen als Pappkameraden in einer Schlange aufgereiht und Subash stellt sich mit Sonnenbrille in cooler Position davor. Click, das Foto zu 20 Rupien. Für Touristen schlägt der Fotograf allerdings noch mal einen Hunderter drauf.

Die historischen Tempeln am anderen Ende des Strandes stehen im goldenen Sonnenlicht. Subash hat ein paar Freund aufgetrieben und bringt seine Schwester vorsorglich zum Hotel zurück. Mit seinen Kumpeln will er losziehen und den ein oder anderen Schluck mitgebrachten Wiskeys oder Biers zu sich nehmen - natürlich ohne das jemand irgendwas merkt. Dort, wo eigentlich kunsthistorisch interessierte Touristen die alten Steintempel und Felsformationen bewundern, finden sich zur Abendzeit junge Pärchen und Gruppen von jungen Menschen ein, die einmal ohne Aufsicht der Erwachsenen sein wollen. Krishnas Butterball heißt ein nahezu runder Felsen, der aussieht, als ob der Hindugott persönlich ihn dort abgelegt hätte.

Dahinter ist ein lauschiges Plätzchen, wo Subashs Truppe sich niederlässt. Als Tarnung hat man ein paar Colaflaschen mitgebracht und den Alkohol in Tüten versteckt. Alkohol in der Öffentlichkeit zu trinken ist in Tamil Nadu verboten. Kaufen kann man ihn nur in Regierungs eigenen Shops und trinken bislang nur in Hotels, die mehr als 20 Betten haben.

Die Kids fangen schon nach wenigen Schlucken an rumzualbern. Sie sind den für sie harten Stoff nicht gerade gewohnt. Später turnen sie auf den Felsen herum. Die Abendsonne sendet ihre letzen Strahlen auf die riesigen Steinformationen. Unten lassen sich die letzen Touristen vor den Skulpturen und Wandbildern fotografieren. Wohlhabende Inder, die aus allen Teilen Indiens dort zusammengekommen sind. Die Tempel und Wandbilder sind Teile des Weltkulturerbes und sind im Gegensatz zu vielen anderen Tempeln in Südindien, die als Bauwerke meist jüngeren Datums sind, historische Originale.

Während des Tsunamis 2004 war Mamallapuram auch betroffen, kam allerdings eher glimpflich davon. Einige der Tempeln wurden in Mitleidenschaft gezogen, sind allerdings bereits wieder restauriert. Ein weiterer Tempel, der tief im Wasser verborgen war und von dessen Existenz niemand wußte, kam weiter an die Oberfläche, so dass Taucher ihn nun besichtigen können.

Für Subash und seine Freunde sind die historischen Schätze nicht wirklich interessant, sondern eher eine Gelegenheit, einmal einen drauf zu machen. Doch so richtig trauen sie sich dann auch nicht. Außerdem meldet sich schon bald der Hunger und es geht zum Abendessen mit der ganzen Familie.

Text und Fotos: Senya Müller